Dr. Gustav Ramin, 27.7.1931:
I. Umlaufsmittel
(Banknoten):
1.) Umlaufsmittel dienen nur dazu, den sofortigen
Tausch von Waren zu vermitteln. Die Umlaufsmittel sollen daher moeglichst
schnell, taeglich, ja sogar stuendlich ihren Besitzer wechseln. Je haeufiger
sie den Umtausch ermoeglichen, desto mehr erfuellen sie ihren Zweck.
2.) Umlaufsmittel koennen sich ohne Wertverminderung
im Verkehr nur halten, wenn eine dauernde taegliche Nachfrage noch ihnen
besteht. Eine solche Nachfrage muss irgendwie erzwungen werden, was aber nicht
mit Zwangskurs identisch ist. Zwangskurs bedeutet erzwungenes Angebot.
3.) Die ausgebende Bank muss zur Erzwingung einer
solchen Nachfrage gegen Hingabe der Umlaufsmittel kurzfristige (Wechsel-)
Forderungen erwerben, deren schnelle Rueckzahlungsverpflichtung eine solche
dauernde Nachfrage entstehen laesst und die erfuellbar sind in den betreffenden
Umlaufsmitteln oder unmittelbar in dem Wert, auf den sie umgestellt sind, z.B.
Reichsmark, Gold, Roggen usw. Die zu erwerbenden Forderungen muessen daher
derartig sein, dass der Schuldner durch Verkauf von Waren and das Publikum
moeglichst taeglich Zahlungsmittel hereinbekommt und dadurch selbst
zahlungsfaehig wird. Der Schuldner muss die Forderung in Raten, am besten
woechentlich, vielleicht taeglich abdecken.
Der letzte Teil der Schuld muss noch spaetestens 3
Monaten bezahlt sein. Warum? Wenn das Darlehen auf drei Monate gegeben und
taeglich 1/90tel zurueckgezahlt wird, so
entsteht am ersten Tage eine Nachfrage nur in Hoehe von 1/90tel der
ausgegebenen Umlaufsmittel. Dies ist schon wenig genug. Noch weniger
waere nicht zu verantworten.
Grundsatz muss also sein, dass jede Stelle, die
Zahlungsmittel ausgibt, diese Zahlungsmittel auch gegen sich gelten laesst.
4.) Die ausgebende Bank hat nur die Aufgabe, derartige
Forderungen, deren Kurzfristigkeit gesichert ist, zu stueckeln, zu typisieren
und damit verkehrsfaehig zu machen. Das Umlaufsmittel soll daher seinem Wesen
nach nur ein typisierter Wechsel sein.
5.) Die Rueckzahlung der Schuld durch den Schuldner kann
in den Umlaufsmitteln der ausgebenden Bank und in Landesgeld erfolgen. Erfolgt
sie in Landesgeld, so darf die Bank aus Gruenden der Sicherheit das Landesgeld
nur dazu benutzen, um ihre eigenen Umlaufsmittel aufzukaufen. Ausserdem
vermehrt sie dadurch die Nachfrage und haelt den Wert ihres eigenen
Umlaufsmittels auf pari.
6.) Wenn eine genuegende und dauernde Nachfrage nach den
Umlaufsmitteln durch den Schuldner besteht, so ist ein Vertrauen zu den
Umlaufsmitteln nicht erforderlich. Denn der Schuldner braucht kein Vertrauen zu
seinem Glaeubiger zu haben. Die Notendeckung bei der Reichsbank ist nur aus
psychologischen Gruenden erfolgt. Das Beispiel der Rentenmark zeigt, dass ein
Zahlungsmittel auch ohne Deckung von Waren (Gold etc.) umlaufsfaehig ist. Die
Deckung der Rentenmark durch Grund und Boden hatte ebenfalls nur psychologische
Bedeutung. Praktisch haette diese Deckung im Notfalle versagt.
II. Aufspeicherung der
Kaufkraft
1.) Kaufkraft, die nicht sofort ausgeuebt wird, sollte
in Forderungsrechten aufgespeichert werden, die moeglichst langfristig sind,
und nicht in Umlaufsmitteln (also kein Sparstrumpf). Die Aufbewahrung von
Umlaufsmitteln zur Erhaltung der Kaufkraft zeigt stets an, dass in der
Geldwirtschaft irgendetwas nicht in Ordnung ist.
2.) Fuer die Verwaltung aufgespeicherter Kaufkraft sind
Banken, die Umlaufsmittel heraus- geben, nicht geeignet, sondern nur
Kreditbanken.
3.) Daher ist eine Bevorschussung von unverkauften
Waren durch eine Umlaufsmittel-Bank nicht moeglich, sondern nur durch eine
Kreditbank. Wenn die Umlaufsmittel-Bank gegen Verpfaendung von unverkauften
Waren Umlaufsmittel herausgeben wuerde, dann wuerde eine Nachfrage nach diesen
Umlaufsmitteln wahrscheinlich erst in dem Augenblick entstehen, in dem der
Lombard Schuldner sein Lombarddarlehen zurueckzahlen muss. Wenn dieser Lombardkredit
beispielsweise auf drei Monate gegeben wird, so braucht drei Monate lang eine
Nachfrage nach Umlaufsmitteln nicht zu entstehen. Ohne Nachfrage wuerde aber
das Umlaufsmittel sofort an Wert verlieren und schliesslich vom Verkehr nicht
mehr genommen werden. Wenn der Schuldner nach Ablauf der Darlehnsfrist nicht
die noetigen umlaufsmittel zur Rueckzahlung des Kredites beschaffen kann,
muessten die der Umlaufsmittel-Bank verpfaendeten Waren verkauft werden. Da
dies wahrscheinlich in sehr vielen Faellen gleichzeitig geschehen wuerde,
wuerde durch diese Zwangsverkaeufe ein Preissturz eintreten muessen, der zu
grossen Schaeden fuer die Schuldner fuehren muesste. Eine Lombardierung kann
nur aus aufgespeicherter Kaufkraft, also aus Sparkapital erfolgen.
4.) Die Umlaufsmittel-Bank koennte eine Prolongierung
der gewaehrten Lombard-Kredite nicht vornehmen, denn die Besitzer der
Umlaufsmittel, die von dem Lombardschuldner die Umlaufsmittel erhalten haben,
werden die Umlaufsmittel bei der Bank einreichen und sich damit ein Guthaben
bei der Umlaufsmittelbank begruenden, ueber das sie in irgendeiner Form
verfuegen wollen. Da eine Verrechnungsmoeglichkeit fuer diese Guthaben aber
nicht gegeben waere, so werden sie es als wertlos betrachten muessen. Eine
Umlaufsmittel-Bank, die Lombardkredite gibt, wird sich daher vielleicht ein
halbes Jahr halten koennen, kaum aber laenger.
5.) Es wird haeufig der Versuch gemacht, die Schaffung
von Umlaufsmitteln mit der Gewaehrung langfristiger Kredite zu verbinden.
Solche Versuche sind stets gescheitert und mussten scheitern.
6.) Zurzeit ist es unzweckmaessig, die Forderungen der
Bank anders als auf Reichsmark abzustellen. Anderenfalls koennten fuer den
Schuldner schwere Lasten entstehen.
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Das Misstrauen in das gegenwaertige Kreditsystem hat
zurzeit an vielen Stellen die Frage entstehen lassen, ob nicht ausser den
typisierten Dreimonats-Wechseln (Umlaufsmittel) noch ein "typisierter
Lagerschein" zu Sparzwecken herausgegeben werden soll, der durch Ware zu
decken waere. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Ware (Getreide) einem
natuerlichen Verbrauch ausgesetzt ist, ganz abgesehen von dem Verlust der
Aufbewahrung durch Schwund.
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(Entwurf von Bth?)
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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit,
zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen,
Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Page
251-252.